Partnachklamm
Zwei
Szenen aus der Partnachklamm: im Bild links ein Aspekt im
mittleren Teil des Klammsteigs, wo die Kalksteinschichten
nahezu horizontal lagern. Die Entfernung der vertikalen
bis überhändenden Wände der Klamm wird auf 8-10 m
geschätzt. Im Hintergrund lagert ein m³-messender
Felssturzblock auf dem viele Meter dicken Bachgeschiebe,
das den Klammgrund verdeckt. Im Foto rechts ein Blick von
der Eisernen Brücke auf den oberen Rand der Klamm und 90
m hinab auf die am Grund fließende Partnach. An der
östlichen, im Bild rechts befindlichen Felswand bestehen
zwei meterbreite Kolkmarken. Sie bildeten sich in einer
Frühphase der Klammentstehung, als fließendes Wasser
eine schmale Zerrüttungszone im Festgestein erosiv rasch
auszuräumen begann. Diese beiden Kolkmarken gehören
somit zu den ältesten der in der Klamm vorhandenen
Formen, die durch stationäre Wirbel in turbulent
fließendem Wasser erzeugt wurden. © Bilder & Text:
Dr. Hubert Engelbrecht, Geologe
Geotopbereiche
Klamm-Nordportal |
Harnisch |
rezente
Kolkmarke 1 |
fossile Kolkmarke 2 |
rezente
Kolkmarke 2 |
Felswand
mit Kolkmarken |
Felssturz
1991 |
fossiler
Felssturzstausee |
Klamm-Südportal |
Geografische Position
Ca. 1,5 km südlich des Olympiastadions von
Garmisch-Partenkirchen liegt bei den Weilern in der
Wildenau das Nordportal der Partnachklamm. Sie bildet den
Schlußakkord des vom Zugspitzplatt herabziehenden
Reintals.
Alter des Geotops Anlage im
Tertiär; mehrfache glaziale Überprägung im Quartär
durch den Reintalgletscher
Formationen und weitere
geologische Ablagerungen Partnachschichten;
Alpiner Muschelkalk mit seinen Gliederungen: Steinalm
Formation?; Reifling-Formation, bestehend aus Seegrube
Member = Reiflinger Bankkalke, Knollenkalk Member mit
Pietra-Verde-Lagen); fluviatiles Geschiebe,
Felssturzblöcke
Kriterien Ästhetik, Eigenart,
Erhabenheit, wissenschaftlicher Wert
Hyperlinks http://de.wikipedia.org/wiki/Partnachklamm
Schlagworte Partnachschichten,
Alpiner Muschelkalk, glaziale und fluviatile Erosion,
Klamm, Kolkmarke, Felssturz, Stausee
Geologische Situation
Kurz vor dem Nordportal der Partnachklamm befindet sich
die Typuslokalität der Partnachschichten: Dunkelgraue
Mergelsteine (Mittleres Ladin bis unteres Karn), welche
den Knollenkalksteinschichten des Alpinen Muschelkalkes
auflagern. Die Klamm selbst ist eine epigenetische
Durchbruchsklamm, angelegt an einem übergeordneten
tektonischen Lineament in der Alpinen
Muschelkalkformation. Das fließende Gewässer der
Partnach durchschneidet in Form einer z. T. nur wenige
Meter breiten Klamm mit bis zu 90 Meter hohen,
senkrechten und überhängenden Felswänden und nahezu
horizontal verlaufendem Grund anstehendes Gestein.
Zuoberst besteht es aus dem einige zehner Meter
mächtigen Knollenkalk-Member (Ladin) der
Reifling-Formation, der jüngsten Partie des Alpinen
Muschelkalks. Diese wird von z. T. meterdicken
Kalksteinschichten des Seegrube-Members (Reiflinger
Bankkalke: Ladin) des Alpinen Muschelkalks unterlagert.
Von diesem sind nur die obersten zehner Meter in der
Klamm aufgeschlossen; sie formen steile, vom Wasser
glattgeschliffene Felswände.
Nach Literaturdaten sind die in der Klamm angeschnittenen
Gesteine Teil einer übergeordneten tektonischen
Struktur, die als Wamberger Sattel bezeichnet wird. Dass
dem nur mit Vorbehalt so ist, zeigt folgende
Untersuchung:
Messreihe vom ersten Aufschluß nördlich der Klamm nach
Süden (Erklärungen: s0: sedimentäre Schichtung; b:
Faltenachse, k: Kluftfläche; L: Lineation: ein
Streifenmuster auf Kluftflächen, das auf
Verschiebungsbewegungen zwischen den Gesteinsblöcken
hinweist, welche die Kluft begrenzen; Meßwertpaare: sie
geben Richtung und Betrag an, mit dem die gemessenen
Flächen zur Horizontalen geneigt sind: 1. Aufschluß s0
346/53 mit Flexur b 88/22 Mergelsteine
(Partnachschichten). 46 Schritte (S): s0 04/48
Knollenkalksteine, gebankt im cm-dm-Bereich. 51S: s0
345/65. 85S: s0 348/40 Knollenkalkstein. 50S: s0 327/26.
90S: Klammeingangshütte. 38S: s0 356/22. 36S: s0 350/19.
105S: s0 fast horizontal, Kalksteine dickbankiger werdend
ohne Knollentextur. 9S: s0 352/08. 66S: 316/21. 115S: s0
320/03. 101S: s0 242/08. 40S: Horizontal. Kalksteine ohne
Knollentextur; sehr dickbankig. 55S: s0 186/08. 92S: s0
251/08. 60S: s0 166/05. 90S: s0 313/23. 40S: Position
Marienstandbild. s0 322/33; zusätzlich Kleinstörungen
mit Harnischen. 33S: südliches Klammportal: s0
undefinierbar. Störungen: k 290/78 mit L 204/12; k
257/18 mit L 272/15; k 49/52 mit L 121/12; k 74/57 mit L
48/53. Wenige Schritte südlich folgen wieder die
Mergelsteine der Partnachschichten.
Lagerungsverhältnisse und geologische Zusammenhänge
dort sind noch nicht geklärt.
Also ist in der Klamm möglicherweise nur die Nordflanke
eines Sattels angeschnitten.
Geomorphologisch beeindrucken in der Klamm metergroße,
vom rezenten Wasserlauf entkoppelte, z. T. metertief in
die Felswände hineinerodierte, fossile Kolkmarken:
Folgen turbulenten Wassertransportes. Sie zeigen, wo zum
damaligen Wasserstand über längere Zeit Wasserwirbel
stationär bestanden und - evtl. zusammen mit Mahlsteinen
und Schwebfracht - den Kalkstein aushöhlten.
Der Untergrund des wesentlich sanfteren Reliefs oberhalb
der Klamm baut sich aus Partnachschichten auf, wo auf
Ebenheiten östlich die Weiler Vorder- und Mittergraseck
sowie westlich die Partnachalm angesiedelt sind.
Formentstehung: Sie erfolgte nach Uhlig (1950, 1991) in
mehreren Phasen zunächst im Jungtertiär, als die
pliozäne Urpartnach die hangenden, gegen Erosion weniger
widerstandsfähigen Partnachschichten abtrugen und in
ihnen eine breite Hochtalform schuf. Morphologische
Relikte aus dieser Zeit sind Altformen wie Felsterrassen
und fluviatile Schotterablagerungen, die oberhalb der
Klamm auf beiden orographischen Seiten aufgeschlossen
sind und meist als Flachformen in Erscheinung treten.
Nach dieser pliozänen Eintiefungsphase erfolgte im
Quartär die Zerschneidung und teilweise Zerstörung
dieses Talbodens, da in dieser Zeit eine weitere
tektonische Heraushebung der lithologisch kompetenten
Anteile des Alpinen Muschelkalksattels erfolgte. Die
Urpartnach reagierte auf die Hebung des alpinen
Muschelkalkgewölbes, indem sie sich erosiv in diesen
einschnitt. Als Wegsamkeiten für das fließende Wasser
und Eis dienten annähernd vertikal angelegte
AC-Kluftscharen, die der Klamm ihr Hauptgepräge
verliehen. In dieser Phase der Vertiefung und Ausweitung
des Klammspaltes durch Eis und fließendes Wasser
überwog bei weitem die Tiefenerosion. Rückwitterung,
chemische Lösung und mechanische Erosion bewirkten nur
eine geringe Aufweitung ihrer Form.
Bei der Entstehung der Klamm kann auch vorübergehend
subglaziale Erosion gewirkt haben. Sollte die
Erosionsleistung, die zur Entstehung der Klamm führte,
tatsächlich auf die Quartärzeit beschränkt gewesen
sein, dann beläuft sich die durchschnittliche
Erosionsrate auf ca. 35 mm pro Jahrtausend. Das ist ein
sehr hoher Wert, den es nachzuprüfen gilt. Ein großes
Problem ist hier auch die im Quartär variable
Erosionsbasis der Partnach, deren Höhenlage vom Grad der
Verfüllung des Loisachbeckens mit Sediment abhing. Sie
dürfte mehrmals - v. a. kurz nach den
Gletscherrückzügen - viel tiefer gelegen haben als in
den Spätphasen der Zwischeneiszeiten und rezent. Eine
weitere Erforschung dieser Zusammenhänge steht noch aus.
Ein damit verbundenes Problem ist die wahre Tiefenlage
des Klammgrundes: denn über dieser Festgesteinsbasis hat
sich entsprechend dem Niveau der nacheiszeitlichen
Erosionsbasis eine Masse an metertiefem Bachgeschiebe
abgelagert, dessen Oberfläche im Nordteil der
Partnachklamm ein ausgeglichenes und nur sehr flach
geneigtes Gefälle aufweist.
Hauptaustragsprodukt der Partnach, die das Zugspitzplatt
und das Reintal samt seinen Seitentälern oberirdisch
entwässert, sind chemisch gelöste Calcium-, Magnesium-
und Hydrogenkarbonationen (94%); den Rest bildet die
partikuläre Fracht (Silt, Sand, Geröll, Blöcke,
Gehölz).
Die Entstehung von Klammen ist immer an übergeordnete
Störungen gebunden (Stahr & Hartmann: 1999: 121,
298). Die Partnachklamm betreffend fehlt die
kartographische Erfassung jener bedeutenden tektonischen
Bruchstruktur, an der sich eine Klamm, die eine besondere
morphologische Talform darstellt, durch Tiefenerosion
bilden konnte.
Sonstiges Die Partnachklamm ist auf
einer Länge von ca. 750 m 80-90 m tief in senkrechte bis
überhängende Felswände eingeschnitten. Die ersten
Menschen in ihr waren wohl Holztrifter, die - von oben
herab abgeseilt - mit langen, hakenbewehrten Stangen
(Grieshaken) angestaute Haufen ineinander verkeilter
Holzprügel zu lösen versuchten. Die erste Erschließung
der Klamm erfolgte aus forstwirtschaftlichen Gründen ab
1885 mittels Bretterstegen entlang der Felswände, wenige
Meter über der Klammsohle. Dies erleichterte die
gefährliche Triftarbeit, die über einen Zeitraum von
ca. 150 Jahren bis in die erste Hälfte des 20. Jhds.
fortgeführt wurde.
Der fast horizontale, an der Ostseite der
Klamm angelegte und zum Teil in Tunnels verlaufende
Felsenweg (Klammsteig) wurde 1910-1912 von der Sektion
Garmisch-Partenkirchen des Deutschen und
Österreichischen Alpenvereins geschaffen. Die Einweihung
des Klammsteigs erfolgte am 27.07.1912. Er wird derzeit
vom Tiefbauamt Garmisch-Partenkirchen instandgehalten.
Der Höhenunterschied zwischen nördlichem (759 m) und
südlichem (797 m) Portal beträgt 38m. Das
durchschnittliche Gefälle somit rund 0,05 %. Der
Hauptteil des Gefälles liegt im südlichen Klammbereich.
Die 1914 erstellte Eiserne Brücke (840 m) verbindet in
einer Höhe von 68 m die oberen Abbruchkanten der Klamm.
Das 1948 gegründete Projekt "Kraftwerk
Werdenfels", zur Elektrizitätsgewinnung am
Südportal der Klamm eine 110 m hohe Bogenstaumauer zu
errichten, wurde nach Protesten aus der Bevölkerung von
der Obersten Baubehörde im September 1950 aufgegeben.
Die Klamm ist seit ca. 1990 auch im Winter begehbar;
jährlich lassen sich bis zu 300000 Touristen von ihrer
Schönheit bezaubern.
Am 01.06.1991 erfolgte um ca. 9 Uhr morgens aus den von
Störungen zerrütteten, senkrechten Gesteinswänden am
Trümmerle Sporn nahe dem westlichen Teil des Südportals
der Klamm ein witterungsbedingter, von mehreren
Frost-Tau-Zyklen ausgelöster Felssturz von ca. 10000m³
Volumen. Nur durch Zufall kamen keine Personen zu
Schaden. Durch das Ereignis entstand ein bis zu 16 m
hoher Sturzdamm, der einen temporären See von 450 m
Länge aufstaute und einen Teil des Klammsteigs
verschüttete. Die Klamm war deshalb bis Ende Juli 1991
gesperrt und war erst nach Schaffung eines 108 m langen
Umgehungstunnels wieder durchgängig.
Ein weiterer kleinerer Felssturz ereignete sich während
der regulären Sperre der Klamm im Frühjahr 2003.
Die Partnachklamm ist wegen ihrer besonderen
geomorphologischen Erscheinungsformen 1912 zum
Naturdenkmal erklärt worden und seit kurzem eines der
bedeutendsten Geotope Bayerns und Deutschlands:
Umweltminister Werner Schnappauf zeichnete sie am 15.
Juli 2003 als eines von "Bayerns 100 schönsten
Geotopen" aus. Am 12. Mai 2006 erhielt sie von der
Akademie der Geowissenschaften zu Hannover das Prädikat
"Nationaler Geotop"; sie zählt somit zu den
derzeit 77 bedeutendsten Geotopen Deutschlands.
Siehe auch Umweltobjektkatalog Bayern:
http://www.uok.bayern.de/static/GEOTOPE/GEOTOPE_234.html
oder http://www.uok.bayern.de/portal/view/uok-1152279234198-89319.htm
.
Im Kultursommer 2003 diente sie als wildromantische
Schmuggler-Kulisse für das Bergdrama "Der
Weibsteufel" vom Karl Schönherr (Arzt und
Schriftsteller, 24. 02. 1867 Axams - 15.03. 1943 Wien).
Literatur:
Doposcheg, J. (1938): Die Partnachklamm. In: Berge und
Pflanzen (Werden und Wachsen) in der Landschaft
Werdenfels. Naturkundlicher Führer. Seiten 58-64.
Adam-Verlag, Garmisch.
Ferreiro-Mählmann, R. & Morlock, J.
(1992): Das Wettersteingebirge, Widerlager der
allochthonen Inntaldecke und der Ötztalmasse, Motor
tertiärer posthumer NW-Bewegungen im Mieminger Gebirge,
Nordtirol, Österreich. Geol. Paläont. Mitt., Innsbruck,
18: 1-34.
Lagally, Ulrich (2007): Ein Fluss frisst sich durch
harten Kalkstein - Die Partnachklamm bei
Garmisch-Partenkirchen.- In: Faszination Geologie - Die
bedeutendsten Geotope Deutschlands; Seiten 160-161;
Hrsg.: Akademie der Geowissenschaften zu
Hannover e. V.; E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung
(Nägele u. Obermiller); Stuttgart.
Nittel, P. (2006): Beiträge zur
Stratigraphie und Mikropaläontologie der Mitteltrias der
Innsbrucker Nordkette (Nördliche Kalkalpen, Austria).-
Geo.Alp 3: 93-145, Insbruck.
Rock, E. (2002): Das Holztriften in
Partenkirchen.- In: C. Wehrle (Hrsg.): Das Reintal - Der
alte Weg zur Zugspitze, Seite 46-49, Panico Alpinverlag.
Stahr, A. & Hartmann, T. (1999): Landschaftsformen
und Landschaftselemente im Hochgebirge. Springer Verlag,
Berlin. 398 Seiten.
Schwarz, P. (2002): Nur wenige wissen,
was hier geschieht.... Kraftwerksprojekt im Reintal.- In:
C. Wehrle (Hrsg.): Das Reintal - Der alte Weg zur
Zugspitze, Seite 50-52, Panico Alpinverlag.
Uhlig, H. (1950): Das Werden der Partnachklamm. In: Der
Bergsteiger. München. 17. Jg., H. 4: 153-156.
Uhlig, H. (1991): Die Partnachklamm und der Felssturz von
1991.- Mitt. Geograph. Ges. München 76: 5-21, München.
Unbenannt, M. (2002): Fluvial sediment
transport in small alpine rivers - first results from two
upper Bavarian catchments.- Z. Geomorph. N. f.,
Suppl.-Bd. 127: 197-212, Berlin, Stuttgart.
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