Der große Plattenschuss an der Östlichen Gatterlspitze



Blick vom südlichen Teil des Plattsteigs auf dem Zugspitzplatt nach Südwesten auf den Plattenschuss im unteren Teil der Nordflanke der Östlichen Gatterlspitze (2476m). ©Foto: Dr. Hubert Engelbrecht

Geografische Position Westliches Wettersteingebirge: unterer Teil des Zugspitzplatts; südöstlicher Teil der Plattumrahmung

Alter des Geotops Faltung, Heraushebung und beginnende Verkarstung im Tertiär; glaziale Überprägung und nachfolgende Verkarstungen im Quartär; jüngste Verkarstung im Holozän

Formation Wettersteinkalk

Kriterien Eigenart, wissenschaftlicher Wert, Ästhetik

Hyperlinks

Schlagworte: Wettersteinkalk, Geomorphologie, Kohlensäureverwitterung, Kahlkarst

Geologische Situation
Eine geologische und geografische Übersicht betreffend dieses Geotop ist hier gegeben. Es liegen hochalpine Kahlkarstformen vor, die durch chemische Erosion (Korrosion) von Kalkstein durch schwach kohlensaures Regenwasser entstanden; erhöhte Niederschlagsmengen auf dem Zugspitzplatt haben diesen Vorgang gefördert.
Das Bild zeigt den Teil eines von vertikalen Klüften (Schichtabbrüchen) und einer "Schichtfläche" (Plattenschuss) begrenzten, mehrere zehner Meter dicken Schichtpaketes aus mittelsteil nach Nord fallendem, überwiegend dickbankigem Wettersteinkalk. Auf der mehrere 100 m² messenden, frei exponierten "Schichtfläche", wo Regenwasser sowohl flächig als auch linear abfließen kann, haben sich spätestens seit Rückgang des Plattacher Gletschereises Kleinformen eines Kahlkarstreliefs entwickeln können: eine große Zahl von Rillen- und Rinnenkarren (mit cm- bis dm-messenden Durchmessern) entstanden durch die Korrosionswirkung schwach kohlensaures Regenwassers; sie sind entsprechend der Abflußrichtung des Regen- und Schmelzwassers in Fallrichtung der Fläche linear angelegt.
Die mittelsteile Neigung der "Schichtfläche" fördert den chemischen Lösungsprozess: Steigerung der Lösungsaktivität durch Erhöhung der Abflußgeschwindigkeit, weil sich wegen turbulenter Abflußströmung keine chemisch gesättigte Lösungszone über der Gesteinsfläche bilden kann. Lokal sind - perlschnurartig aufgereiht - bis ca. 50 cm breite Napf- und Lochkarren vorhanden (evtl. Relikte aus älteren Verkarstungsvorgängen). Die aktuelle mittlere Kalkabtragungsrate durch chemische Lösung beträgt nach Hüttl (1999: 141) in den Felswänden der Plattumrahmung 13,6 µm/Jahr, entsprechend knapp 14 cm in 10.000 Jahren. Eine vor rund 230 Millionen Jahren ursprünglich gebildete und nach tektonischer Heraushebung im Tertiär erstmals exponierte sedimentäre Schichtfläche kann wegen Holozäner und älterer Kalkabtragungsvorgänge nicht mehr vorhanden sein. Im Foto ist also wegen der auch flächig wirkenden Rückverwitterung eine in eine Kalksteinschicht hineingewitterte Gesteinsfläche zu sehen, die nahezu parallel zur sedimentären Schichtfläche orientiert ist. Solche originalen Trennflächen - die ältesten in sedimentären Gesteinen - sind im Foto im Profil als "Schichtbänder" an den vertikalen Kluftflächen zu sehen.
Hier findet wegen optimaler Schattenlage (Exposition nach Norden) auch intensive Frostverwitterung statt.

Sonstiges
Foto vom 15.10.2005.

Literatur:
- Hirtlreiter, G. (1992): Spät- und postglaziale Gletscherschwankungen im Wettersteingebirge und seiner Umgebung.- Münchner Geographische Abhandlungen, Reihe B; Band B 15; 153 Seiten; Geobuch-Verlag München.
- Hüttl, C. (1999): Steuerungsfaktoren und Quantifizierung der chemischen Verwitterung auf dem Zugspitzplatt (Wettersteingebirge, Deutschland).- Münchner Geographische Abhandlungen, Reihe B, Bd. 30, 171 Seiten.

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© Text: Dr. Hubert Engelbrecht, Geologe