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Garmisch-Partenkirchen
Der erste
Helvetikum-Bernstein-Fund am Langen Köchel (Landkreis
Garmisch-Partenkirchen, Oberbayern)
Einleitung
Erster und bislang einziger Bernsteinfund (1998) in den
Freschen Schichten (oberes Aptian - Albian) der
helvetischen Garschella-Formation: im Haufwerk auf der
tiefsten Sohle (590 Meter ü.N.N.) des Hartsteinwerkes
Werdenfels HOCHTIEF-Steinverarbeitungsbetrieb in
Oberbayern.
Der Fundpunkt ist wegen Schließung des
Steine-Erden-Betriebes im Jahre 2000 und nachfolgender
Flutung nicht mehr zugänglich. Finder war der ehemalige
Sprengmeister Herr P. Brandl.
Der Maximaldurchmesser des Bernsteins beträgt auf der
Anschnittfläche 4,2 cm.
Die optische Ästhetik dieser Rarität gründet auf dem
intensiven Farbkontrast zwischen dem
dunkelgrau-olivfarbenen Quarzsandstein und dem darin
eingeschlossenen goldgelben Bernsteinfragment, in dem
zahlreiche Innenreflexe bzw. Sonnenflinten zu sehen sind.
Dieses besonders schöne Objekt ist vom
15.12.2000-25.02.2001 auf der temporären Ausstellung INDUSTRIE
UND NATUR - Zur Geschichte des Hartsteinwerkes
Werdenfels im Murnauer Moos erstmals der
Öffentlichkeit vorgestellt worden. Weitere Details - u.
a. seine Einschlüsse, die seinen wissenschaftliche Wert
begründen - , sind seit dem 24.08.2004 auf einer
Infotafel in der erdgeschichtlichen Abteilung des Schlossmuseums
Murnau zu besichtigen. Siehe auch: Erster
Bernsteinfund im Werdenfelser Land.- In: Murnauer
Tagblatt, Nr. 196, Mur 1; 25.08.2004.
Allgemeines über das Mineral und den Rohstoff
Bernstein
Damit der interessierte Leser den Wert dieses Fundes
richtig einschätzen und die Situation besser
überblicken kann, soll hier zunächst darauf eingegangen
werden, welche Eigenschaften Bernstein hat, wo man ihn
findet, woraus er entstand und wie der Mensch ihn nutzt:
Die Dichte von Bernstein variiert zwischen
1,05-1,1g/cm³; er ist damit spezifisch geringfügig
schwerer als normal salinares Meerwasser. Seine Härte
beträgt 2,0 bis 2,5 auf der 10-teiligen Mohs'schen
Skala. Bernstein - das fossile Harz von Bäumen - ist oft
durch die Transportwirkung von Eis (Gletscher) oder
fließendem Wasser (Flüsse, Meeresströmungen) von
seinem Entstehungsort weit verfrachtet und befindet sich
dann auf sekundärer oder tertiärer Lagerstätte
(Lexikon der Geowissenschaften 2000).
Sein Name entstand im 13. Jhd. aus dem niederdeutschen
Begriff "bernen" = brennen, was so viel wie
"Brennstein" bedeutet. Er verbrennt kerzenartig
und verbreitet einen aromatischen Duft (Ganzelewski
1996a).
Seit alters her ist dieser Rohstoff zur Herstellung von
Schmuck sehr begehrt. Man verwendet Bernstein auch bei
der Produktion von Rauchutensilien, Isolatoren, Lacken
und Gemäldefirnissen. G. Agricola entdeckte 1546, dass
man aus ihm durch Trockendestillation (Ausschmelzen)
zwischen 250 °C und 300 °C die wasserlösliche
Bernsteinsäure gewinnen kann, die sich zur Synthese von
Farbstoffen und Harzen eignete sowie in der Pharmazie
Verwendung fand. Minderwertige Stücke wurden zu
Pressbernstein verarbeitet. Die derzeitige
wirtschaftliche Bedeutung von Bernstein ist gering
(Koller et al. 1997).
Bernstein ist amorph und zieht bei mechanischem Reiben
leichte Partikel, z. B. Wollfäden an; schon die alten
Griechen in Hellas erkannten um 600 v. Chr. die besondere
Eigenschaft dieser Substanz, die sie "Elektron"
nannten. Der englische Naturforscher W. Gilbert übernahm
um 1600 n. Chr. diesen von ihm in
"Elektrizität" abgewandelten Begriff, um damit
das Phänomen jener anziehenden physikalischen Kraft zu
benennen. Die von Ch. du Fay im Jahre 1734
hypothetisierte negative "Harzelektrizität"
und positive "Glaselektrizität" wurden jedoch
von B. Franklin 1751 widerlegt (Quelle: Dauerausstellung
im Münchner Deutschen Museum, Abteilung Elektrostatik).
Bernstein schmilzt unter Zersetzung zwischen 290°C und
420°C; als Rückstand verbleibt Bernsteinkolophonium
(Koller et al. 1997). Die gelbliche Farbe des Bernsteins
kann durch diverse Einschlüsse zu vielen
unterschiedlichen Farbnuancen verschoben sein
(Ganzelewski 1996a); J. W. von Goethe berichtete auf
seiner Italienreise 1787 begeistert von der hyazinthroten
Farbe des sizilianischen Bernsteins (Krumbiegel &
Krumbiegel 1996a).
Sauerstoff und Sonnenlicht lassen den Bernstein
alterieren und verspröden: innerhalb weniger Jahrzehnte
entstehen am Objekt oberflächliche Risse und sein
Farbton wird dunkler. Einlagerung in Wasser verzögert
den Zersetzungsvorgang, da dieses die Sublimation eines
seiner chemischen Komponenten (Campher) hemmt (Koller et
al. 1997).
Bernstein ist das nicht-kristalline Relikt Millionen
Jahre alten Harzes von Laub- oder Nadelbäumen. Er kommt
weltweit primär in Braunkohlelagern vor, ist jedoch
häufig in jüngere Schichten umgelagert. Man fördert
ihn meist im Tagebau, aber auch durch Netzfischerei an
der Küste. Über Bernsteinstraßen wurde dieser
Wertstoff weit gehandelt (Ganzelewski 1996).
Bernstein zählt zu den organischen Mineralien, den so
genannten Liptobiolithen (leiptos = zurückgelassen, bios
= Leben, lithos = Stein). Wegen seiner schweren
Zersetzbarkeit konnte das Naturharz - das hauptsächlich
aus den Elementen Kohlenstoff (67-81%), Wasserstoff
(9,5-10,5%), Sauerstoff (10,5-16,2%) und Schwefel
(0,1-0,4%) sowie geringste Mengen an Stickstoff besteht -
fossil werden und geologische Zeiträume überdauern (Die
ältesten Funde stammen aus dem Devon in Kanada). Durch
Verdunstung, Oxidation und Polymerisation entsteht aus
ihm über diverse Zwischenprodukte (z. B. Kopal) ein
Gemenge verschiedener Polyester diverser, oft
polymerisierter Harzsäuren. Maximal 30% davon sind die
chemisch löslichen Anteile, die den Gruppen der Mono-,
Sesqui- und Diterpenoide (Vertreter: Borneol, Campher;
Caryophyllen, Cyclohexadecan; Abietinsäure, Pimarsäure,
Labdadiendiol) sowie den Bernsteinsäureestern
(Monofenchylsuccinat, Dibornylsuccinat) zugeordnet
werden; der Rest besteht aus chemisch unlöslichen,
polymerisierten organischen Säuren (Resen, Succinoresen,
etc.). Einige dieser chemischen Verbindungen, v. a. die
Diester des in Sedimentschichten eingeschlossenen
Bernsteins werden bei der Gebirgsbildung durch Druck- und
Temperaturerhöhung depolymerisiert; d. h.: es entstehen
durch Isomerisierungs- und Disproportionierungsreaktionen
niedermolekulare Verbindungen: dieses Degradationsprodukt
aus Bernstein nennt man Fossilharz (Ganzelewski 1996;
Koller et al. 1997, Beck et al. 1997; Anderson &
Crelling 1995).
Die geologisch-paläontologische-palökologische
Bedeutung des Bernsteins liegt vor allem in seinen
Einschlüssen. In Fossilharz eingebettete Pflanzen und
Tiere sind in dieser Substanz bestens erhalten geblieben,
sofern sie nicht zu hohen Drucken und Temperaturen
ausgesetzt waren. Diese Tanatozönosen geben Aufschluß
über die Paläo-Biotope der subtropisch-tropischen sowie
gemäßigt-warmen Zonen; sie ermöglichen Einblick in
fossile Lebensgemeinschaften (auch der Kleintier-,
Insekten- und Mikrobenwelt) und den botanischen Aufbau
der Bernsteinwälder (Krumbiegel & Krumbiegel 1996).
Die botanische Herkunft der Bernsteine bzw. Fossilharze -
ein Forschungsschwerpunkt der organischen Geochemie -
wird mit Hilfe physikalisch-chemischer Analysen bestimmt:
Das sind vor allem die Infrarotspektrometrie und die
kombinierte Gaschromatographie-Massenspektrometrie (Beck
1996): Man versucht - ergänzend zu den optischen
Untersuchungen, in den Proben charakteristische Bio- oder
Chemomarker zu finden, die eine Identifikation des
Harz-Produzenten zulassen. So z. B. weisen
Diterpenharzsäuren vom Abietan- und Pimarantyp auf einen
Harzproduzenten der Gattung Pinus, solche vom Labdantyp
auf einen aus der Familie der Araukarien hin.
Geologische Situation am Fundort des
Helvetikum-Bernsteins und eigene Untersuchungen
Der ehemalige Steine-und-Erden-Betrieb
Hartsteinwerk Werdenfels befand sich an der Lokalität
Langer Köchel (717,4 Meter ü.N.N.), ein ca. 90 Meter
über die Ebenheit des Murnau-Eschenloher Mooses (630
Meter ü.N.N.) ragender morphologischer Härtling, der
einen Teil des Ammer-Loisach-Hügelland genannten
Naturraumes bildet. An der inzwischen abgebauten
Südflanke des WSW-ENE streichenden Langen Köchels -
dessen höchster Punkt mit 751 Meter ü.N.N. in seinem
westlichen Teil lag - sind vom Jahr 1930 bis Ende des
Jahres 2000 rund 24 Millionen Tonnen Naturstein
(Handelsbezeichnung Glaukoquarzit) zur Herstellung von
Sanden, Edelsplitten, Gleis- und Strassenschottern sowie
Wasser-, Mauer- und Gartensteinen gewonnen worden (Kuisle
2000, Scharl 2000, Scharl 2000a). Vor Ort entstand
inmitten des Naturschutzgebietes Murnau-Eschenloher Moos
ein 1,1 km langer und bis zu 130 Meter hoher,
künstlicher Aufschluß, der maximal 40 Meter unter das
regionale Geländeniveau reichte.
Wegen seinen besonderen Eigenschaften als glazial
entstandener Rundhöcker und bedeutendster Aufschluß der
im Bayerischen Voralpenland selten ausstreichenden
helvetischen Kreide ist dem Langen Köchel der Status
eines unbedingt schutzwürdigen Geotops vom Typus
Härtling und Schichtfolge zugesprochen worden (Lagally
et al. 1994).
Die dort aufgeschlossenen Formationen aus der Kreidezeit
(Barreme - Santon) werden dem Helvetikum am Alpennordrand
zugeordnet, das zwischen dem Flysch im Süden und der
Faltenmolasse im Norden tektonisch eingeschuppt ist. Die
Formationen entstammen Schelfablagerungen am nördlichen
Rand des Tethysmeeres. Die Einheiten beginnen nach
Literaturdaten mit dunkelgrau-schwarzen, monotonen
Mergelsteinen, die zur Drusbergformation gestellt werden.
Nach eigenen Beobachtungen entwickelt sich aus ihr durch
Einschaltung mergeliger Kalksteinlagen zum Hangenden hin
die Grünten Formation. Die bis in den 1,5 m Bereich
gebankten, grauen bis dunkelgrauen, mergeligen
Kalksteinschichten sind oft wegen Schichtkondensation
(oder Drucklösung?) nodular und geflasert texturiert und
wechsellagern mit bis zu 1,3 m mächtigen,
dunkelgrau-schwarzen, kalkigen Mergelsteinen. Die
Mächtigkeit der Formation wird auf maximal 110 m
geschätzt. Über dieser folgen mit diskreter und
diachroner Grenze dunkelgraugrüne bis olivfarbene,
bräunlich und weißgrau verwitternde, meist deutlich
geschichtete, stark geklüftete, splittrig brechende,
glaukonitführende, in der Regel sehr harte
Quarzsandsteine mit karbonatischem Bindemittel (Freschen
Schichten der Garschella-Formation in ungewöhnlich hoher
Mächtigkeit: circa 140 Meter), in denen beim
Gesteinsabbau neben Belemniten, Inoceramen, Crioceraten
und Cymatoceraten auch die Fossilharzknolle gefunden
wurde. Die mittel- bis grobkörnigen, selten
Quarzgerölle führenden Schichten beinhalten häufig mm
bis maximal 15 cm messende Pyritknollen und sind in der
Regel von ebenen, selten flach gewellten Ober- und
Unterflächen begrenzt. Gelegentlich treten
Strömungsrippeln, Lastmarken und Zapfenwülste auf. Die
beobachteten Innengefüge bestehen aus mm- bis cm-dünner
Feinschichtung, hydroplastischen Verformungen
(Wickelschichtung, Bankauflösungsstrukturen,
horizontbeständige Mikro-Noduli) und resedimentierten
Bereichen mit bis zu 4 cm messenden Intraklasten in
flaserlaminierter Matrix. Im Bereich der Obergrenze der
Formation treten vermehrt Glaukonit- und
Phosphoritklasten bis 2 mm Durchmesser auf. Das
stratigraphisch Hangende (Seewen-Formation mit
kreidezeitlichen ozeanischen Rotschichten) setzt nach
eigenen Untersuchungen diskret und stark diachron ein:
lateral unbeständige, 75 cm dicke
Schlammstromablagerungen (debris flows, turbidites)
bestehend aus glaukonit- und phosphorit-führenden
Quarzsandsteinen mit chaotisch eingelagerten, gut
gerundeten, bis 14 cm großen, weißgrauen
Kalksteingeröllen. Dieser Horizont kann den
Götzis-Schichten zugeordnet werden. Darüber folgen ca.
5 Meter hellgrau-hellgrünlich-beigefarbene,
fossilreiche Kalkmergelsteine, über denen ziegelrote und
rotbraune, schwach kalkige Mergel- und Tonsteine lagern;
lokal liegen rote Cherts vor (Radiolarit?). Über allen
genannten Formationen folgen tektonisch diskordant
geringmächtige, quartäre, fluvioglaziale
Lockersedimente und Hangschutt. Anthropogener Detritus
(Tagebaukippen) bildet den Abschluß.
Nach Literaturdaten besteht als übergeordneter
tektonischer Bau ein nordvergenter Sattel mit Kern aus
Drusbergschichten. Die vorläufigen Ergebnisse erster
eigener Untersuchungen zum geologischen Bau des Langen
Köchels sind publiziert (Engelbrecht 2000 und 2003). Mit
Sicherheit steht nach weiteren Geländebegehungen schon
fest, dass die Situation komplexer ist als bisher
angenommen: es handelt sich um eine Kombination aus -
evtl. zeitgleicher - duktiler und spröder Verformung:
Oben genannte Hauptstruktur ist in ihrem Kern tektonisch
gestört und im Streichen nicht beständig. Ein vergentes
bis isoklinales, steilflankiges Sattel-Mulden-System ist
entwickelt, das von einen Netzwerk von Scherbrüchen in
einzelne, gegeneinander versetzte Kompartimente zerlegt
worden ist. Neben den gängigen, N-S- und
E-W-streichenden, steilstehenden Brüchen konnten auch
sehr flach bis flach lagernde, nach N, NW bzw. W fallende
Störungsflächen gemessen werden.
Die genannten neuen stratigraphischen und tektonischen
Elemente sind kartographiert und fotographisch
dokumentiert.
Hypothesen zur Herkunft des
Helvetikum-Bernsteins: Mittelkreidezeitliche
Paläogeographie am europäischen Nordrand
desTethysmeeres
Als potentielle Liefergebiete des Helvetikum-Bernsteins
bieten sich nach der paläogeographischen Karte von R. K.
F. Meyer (in: Erläuterungen zur geologischen Karte
Bayerns, 1996:113) mindestens zwei Bereiche an:
Küstennahes, im subtropischen
Klimagürtel (Vakhrameev 1991) gelegenes Vorland:
Nördlich des Tethys-Randmeeres befindlicher
Festlandsbereich, bestehend aus der verkarsteten
Albtafel bzw. dem terrestrischen Kreidebecken
über dem Grundgebirge des Böhmischen Massivs:
Die vorherrschenden, von Ost nach West
gerichteten Küstenströmungen am nördlichen
Tethysrand (Föllmi, 1989: Evolution of the
Mid-Cretaceous Trias.- Lecture Notes in Earth
Sciences, vol. 23) könnten dieses organische
Material in den mehrere 100 Kilometer weiter
südwestlich gelegenen helvetischen
Ablagerungsraum transportiert haben.
Einige 100 Kilometer weiter
südlich gelegener, temporärer kalkalpiner
Ablagerungsraum in tropischer Klimazone
(Vakhrameev 1991). Südlich der
Flysch-Tiefseerinne entwickelter Inselbogen, der
sich aus über Meeresniveau gehobenen Teilen des
ostalpinen Akkretionskeils zusammensetzt und dem
ein Randtrog südlich vorgelagert ist (von
Eynatten & Gaupp 1999). In diesem synorogenen
Huckepackbecken setzten sich Turbidite ab, die
als Branderfleckformation (Cenoman) bezeichnet
werden. Die Landpartien verkarsteten und wurden
später intensiv erodiert. Dort entstanden
wahrscheinlich Vorläufer der oberkretazischen
Gosau in terrestrischer Ausbildung.
Schmidt (2003) bestimmte in den Sandsteinen und
Mergeln der Unteren Branderfleckformation - die
fast gleich alt ist wie die helvetische
Garschella Formation - harzkonservierte
Makrophytenreste, deren Art der
Zellstrukturierung nach Ansicht von Prof. H.
Gottwald (Reinbek bei Hamburg) auf Vertreter von
Cupressaceae, Podocarpaceae und sehr
wahrscheinlich auf Pinaceae hinweist.
Verdriftung des Harzes und
Fossilisation zu Bernstein; Degradation des Bernsteins zu
Fossilharz
Sehr wahrscheinlich driftete vor 115-110 Millionen Jahren
eine wenige Kubikzentimeter messende und durch
Verdunstung und Polymerisation schon verfestigte
Harzknolle - angeheftet an oder eingeschlossen in einen
Baumstamm - von einem der genannten Küstengebiete auf
das Tethysrandmeer hinaus. Nach Trennung von seinem
Transportmittel sank die Knolle wegen ihres geringfügig
höheren spezifischen Gewichtes durch die
Meerwassersäule hinab auf den Grund und wurde in die
Sedimente (glaukonitführende Quarzsande) des sogenannten
helvetischen Troges im nördlichen Schelfbereich der
Tethys eingelagert.
Wachsende Auflast durch fortgesetzten Sedimenteintrag in
das Schelfbecken verdichtete das Harz über
Zwischenstufen (Kopal) zu Bernstein. Der bei der
tektonischen Versenkung - Folge der mesoalpidischen
Gebirgsbildung vor 25-7 Millionen Jahren - über lange
Zeiten wirkende hohe Druck degradierte den Bernstein zu
Fossilharz (siehe oben).
Potentielle Bedeutung des Helvetikum-Fossilharzes
Durch geochemische und optische Analysen des
Helvetikum-Fossilharzes könnten neue paläobotanische
Daten gewonnen werden, wie z. B. seine botanische
Herkunft: wuchs der Harzlieferant im subtropischen
Vegetationsgürtel nördlich der Tethysküste oder in der
tropischen Zone auf dem weiter südlich gelegenen
Inselbogen? Welche Baum-Spezies produzierte das Harz?
Geben Bio- oder Chemomarker darüber Aufschluß? Zusammen
mit anderen Indikatoren könnten die Hypothesen getestet
werden, welche im nördlichen Tethysbereich und dem
Vorland für die dortigen paläoklimatischen
Verhältnisse aufgestellt wurden.
Ein weiteres Vorkommen von Fossilharz im
cenomanen Kalkalpin beim Schliersee in
Oberbayern
Fossilharzfragmente (bis maximal 4 cm Durchmesser) hat
der Sammler Ulf-Christian Bauer erstmals am 9. September
1983 in Sandsteinschichten (Lithareniten) am Leitner
Bichl unmittelbar östlich des Schliersees - ca. 50
Kilometer ESE des Langen Köchels gelegen - gefunden und
anschließend in jahrelanger, mühseliger Arbeit am
Fundort aus insgesamt 6 m³ Sediment ca. 2300
weitere Fossilharzsplitter (meist in 1 mm-Größe)
geborgen, nach Größe und Farbe geordnet sowie auf
Einschlüsse untersucht (Schmidt 2003). Viele Exemplare
sind inzwischen in den Asservatenbestand
naturwissenschaftlicher Museen in aller Welt
übergegangen. Die Fossilharzsplitter enthalten reichlich
organische Mikroeinschlüsse: Bakterien, Pilze, Algen,
Protozoen, Wimpertierchen, Amöben und Palynomorpha
(Schmidt 2003); einige der Arten sind zu Ehren des
Finders U.-C. Bauer nach ihm benannt worden, so z. B. die
Thekamöbe Hyalosphenia baueri und die Pilzhyphe
Palaeodikaryomyces baueri. Schmidt et al. (2001)
identifizierten die fossilharzführenden Schichten als
Untere Branderfleckformation (Cenoman). Eine
gaschromatographisch- massenspektrometrische Analyse der
chemischen Komponenten des Schliersee-Fossilharzes durch
Prof. C. W. Beck vom Amber
Research Laboratory (Poughkeepsie bei New York)
ergab, dass es von einer Konifere - wahrscheinlich einer
Pinie - stammt (Schmidt 2003). Im Gegensatz dazu sind die
Fossilharze in den nordalpinen Kreide-Flyschen von
Araukarien produziert worden (Beck et al. 1997).
Korrelationsmöglichkeiten beider Fossilharze aus
dem helvetischen und kalkalpinen Cenoman Oberbayerns
Ein Vergleich der chemischen Komponenten der in den
geologischen Zeitstufen Aptian und Cenomanian
abgelagerten, helvetischen und kalkalpinen Fossilharze
werden weitere interessante Aspekte bringen. Aus welchen
Liefergebieten stammen sie? Um welche Arten von
Harzproduzenten handelt es sich? Lassen sich aus den
degradierten chemischen Komponenten der Fossilharze
Rückschlüsse ziehen auf die unterschiedlichen
Druck-Temperatur-Verläufe bei der alpidischen Orogenese
in den helvetischen und kalkalpinen Deckeneinheiten?
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01.10.2004
© Text: Dr. Hubert Engelbrecht
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