15.02.2011
Sehr geehrte Damen und sehr geehrte Herren,
bei den Vorbereitungen zu meiner letzten Umweltführung am
08.02.2011 im
Museum hatte ich ich eine Idee; zunächst aber folgende
Ausführung:
viele der großen Erfindungen, die dort präsentiert sind, werden
seit ihrer
Umsetzung in die Praxis von einer immer stärker wachsenden
Individuenzahl in
Form von neuen Produkten oder Dienstleistungen genutzt; ein
Verhalten, das
leider oft zu steigendem Ressourcen- und Energieverbrauch, zur
Erzeugung von
Abhängigkeiten sowie zu Umweltbeeinträchtigungen und steigenden
Risiken
wegen Eingriff in die natürlichen Wasser- und
Kohlenstoffkreisläufe führt.
Freilich werden diese umbequemen Tatsachen - langzeitliche
Folgen,
Schattenseiten und Nebenwirkungen massenhafter Anwendungen neuer
Produkte
und Dienstleistungen in einer wachsenden Bevölkerung mit
steigenden
Begehrlichkeiten und Ansprüchen - in diversen Ethik-Kommissionen
und
Technikfolgeforschungseinrichtungen diskutiert und bewertet.
Mein Gedanke ist, dass wegen der globalen Umweltentwicklung
(Klimawandel,
Ressourcen- und Artenschwund, Überbevölkerung) und ihrer
größer werdenden
Bedeutung in der öffentlichen Diskussion der Abteilung Umwelt im
Museum inzwischen eine zentrale Bedeutung zukommt. In
diesem Sinne wäre es vorteilhaft und förderlich, in anderen
Abteilungen
öfter auf sie hinzuweisen. Bei vielen Erfindungen, die im Museum
präsentiert sind,
könnten ihre für die Umwelt problematisch gewordenen
Umsetzungen in die und
Auswirkungen in der Alltagspraxis gezeigt werden: wenn das neue
Produkt, die
neue Anwendung oder die neue Dienstleistung durch den
Nutzungseinfluss einer
wachsenden Bevölkerungszahl der Umwelt schadet. Beispiel: die
Erfindung der
Dampfmaschine durch James Watt und die Folgen für die Umwelt
durch
jahrzehntelange Massenanwendung diverser, daraus entwickelter
maschineller
Antriebsformen (Dampfturbinen, Verbrennungskraftmaschinen), die
allesamt
viele Jahrzehnte nur mit der Verbrennung fossiler
Kohlenwasserstoffe
funktionierten. An entsprechenden Stellen in den
Abteilungen könnte darauf hingewiesen werden, wie langzeitliche
Anwendungen
dieser Erfindungen Umweltprobleme nach sich gezogen haben und
dass
diese Themen in der Abteilung Umwelt detailliert ausgeführt
sind. Weitere
wichtige Punkte zu diesem Thema sind z. B. die
Erfindungen/Entdeckungen von
F. Wöhler (Isolierung der Elemente Aluminium und Silizium), M.
Faraday
(Elektromagnetischs Feld, Dynamo, Elektrolyse), J. von Liebig
(Kunstdünger),
E. L. Drake (erstes Erdölbohrfeld), T. A. Edison
(Kohlefadenglühlampe,
Ni-Fe-Akkumulator), C. F. Benz (Gasverbrennungsmotor), W. C.
Röntgen
(Röntgenstrahlung), K. F. Braun (Kathodenstrahlröhre),
Einstein-Rutherford-Hahn-Straßmann-Meitner-Fermi-Oppenheimer-Teller
(Masse-Energie-Äquivalenz, Atomkernreaktionen: Spaltung,
Fusion), K. Zuse
(elektromechanischer Digitalrechner), W. Shockley
(Transistoreffekt), T. H.
Maimann (Laser), u. v. m.
Technikentwicklung im Spannungsfeld zwischen Fortschritt und
Kulturentwicklung einerseits sowie Rohstoffverbrauch und
Umweltbeeinträchtigung andererseits. Das Museum könnte neben
der
Abteilung Umwelt einen weiteren Beitrag zur Förderung von
Umweltbewusstsein
und -bildung seiner Besucher bringen, indem es zwischen den
präsentierten
Erfindungen und der Abteilung Umwelt Bezüge herstellt. Der
riesige geistige
Inhalt dieses Museums würde damit eine weitere Etappe in
Richtung
Umweltfreundlichkeit gebracht.
Der Träger des Deutschen Umweltpreises 2008 der Deutschen
Stiftung Umwelt,
der Physiker und Biologe Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizäcker
meinte, dass
dieses Jahrhundert eines der Umwelt werden sollte, nachdem das
Vergangene
eines der Technik war.
Es ist schade, dass vergangenes Jahr im Museum die Ausstellung
Umwelt
in einen kleineren Raum verlagert und inhaltlich gekürzt
wurde; es wäre gut, sie bei Gelegenheit zu aktualisieren und mit
anderen
Abteilungen inhaltlich/gedanklich zu verknüpfen. Die Frage ist,
ob dies in einem Museum für
Technikgeschichte möglich ist, ob ein solcher Schritt von den
Verantwortlichen und den Sponsoren akzeptiert werden kann und wie
eine
solche Maßnahme bei den Besuchern ankommt. Ich schreibe das,
weil
thematisierte Umweltprobleme wie alle unbequemen Tatsachen fast
immer für
Unmut sorgen.
Ich selbst sehe die aktuelle Umwelt- und kommende
Ressourcenproblematik mit
dem soziologischen Thema der Gewalt verknüpft; ich formuliere
das wie folgt:
"Seitdem es den Mensch gibt, übt er wegen seiner
angeborenen
Aggressionskonstanten, seinen Grundbedürfnissen sowie den
inzwischen weit
darüber hinaus gehenden Ansprüchen und Begehrlichkeiten Gewalt
sowohl gegen
die belebte als auch gegen die unbelebte Natur aus. Ein kleiner
Teil seines
Gewaltgebarens ist in zivilisierten und maßvollen Formen der
Fortpflanzung,
des Jagens nach, des Sammelns und Erzeugens von Nahrung in der
Tier- und
Pflanzenwelt, des Suchens und Hervorholens von Rohstoffen aus der
Erde, der
Schaffung von Bauten, Verbindungswegen, Transport- und
Kommunikationsmitteln
sowie des Erwerbs von neuem Wissen, technischen Fähigkeiten und
Gütern
notwendig. Hierbei wird jedoch vorausgesetzt, dass bei dieser
Form der
Gewaltanwendung gewährleistet sein muss, dass der Mensch keinem
seiner
Mitmenschen und Nachkommen weder direkt noch indirekt, weder
kurz- noch
langfristig schadet. Der große restliche Teil seines
Gewaltgebarens, der in
mimetischer Rivalität, in seiner Manipulierbarkeit und in seinen
archaischen
Macht-, Gier- und Vorteilnahmeimpulsen gründet und was ihn seit
vielen
Jahrtausenden in Dauerkonflikt mit seinesgleichen und seiner
Natur/Umwelt
gebracht hat, ist nicht notwendig und deshalb
verwerflich."....
Viele Grüße!
Hubert Engelbrecht
23.02.2011
Sehr geehrte, Damen und sehr geehrte Herren,
vielen Dank für Ihr Antwortschreiben
.... Es freut mich zu lesen,
dass die Abteilung Umwelt in einigen Jahren neugestaltet in die
größere
Ausstellung "System Erde" integriert wird. ....
Beim Begriff "System Erde" fällt mir als Geologen noch
folgendes ein: im
Sedimentgestein ist oft wertvolle Information gespeichert; auch
das über
vergangene natürliche Umweltkatastrophen, verursacht z.
B.durch sehr große
Vulkanausbrüche, deren CO2-Emissionen Treibhausklimaten
erzeugten, weswegen
die Eiskappen an den Polen abschmolzen, durch Eutrophisierung
Sauerstoff-Minimumzonen in den Ozeanen entstanden, das Meerwasser
versauerte
und das Wachstum vieler Riffe (wie z. B. hier in nächster Nähe
die Schrattenkalk- und
Wettersteinriffe aus der Kreide- bzw. Triaszeit) beeinträchtigt
bzw. beendet
wurde. Auch aus dieser im Gestein gespeicherten, von den
Fachleuten immer
besser verstandenen und interpretierten Information könnte
mittels
geschicktem Wissenstransfer die Gemeinschaft lernen,
wie sie sich in der Umwelt zu verhalten hat, damit diese ihr
möglichst
lange in einem für sie günstigen Zustand erhalten bleiben
möge. Geologen
nennen das das Prinzip des Aktualismus: "damals wie
heute" - was für nicht
allzu ferne Vergangenheiten oft zutrifft. Ob nun das CO2
vulkanischen oder
anthropogenen Ursprungs ist, dürfte betreffend die nachfolgenden
physikalischen und chemischen Reaktionen in der Hydro- und
Atmosphäre keine
Rolle spielen; auch die ökologischen Folgen werden die gleichen
sein. Soviel zu meiner Anregung, zu
überlegen, ob es sinnvoll sein könnte, ein paar für den
Menschen
interessante/wichtige Phasen der
"Paläo-Umweltgeschichte" herauszupicken und
in die geplante Ausstellung "System Erde" einzubauen.
Verdrängung und zähneknirschende Akzeptanz der Begrenztheit
irdischer
Ressourcen (in Fachkreisen spricht man von Produkt- und/oder
Rohstoff-Lebenszyklen) in der Gesellschaft leitet sich m. E. aus
einer
ähnlich gelagerten Tatsache her: nämlich der der
Vergänglichkeit und der
endlichen Lebenszeit jedes Menschen; einer Wirklichkeit, die
anscheinend nur
wenige seelisch aushalten und ihr Leben entsprechend danach
einrichten.
Leider werden die Folgen gemeinschaftlich begangener Verdrängung
bzw.
Wirklichkeitsverweigerung der Tatsachen der
Ressourcenendlichkeit, des damit
ursächlich zusammenhängenden Klimawandels, Artenschwundes etc.
für
nachfolgende Generationen sehr problematisch.
Viele Grüße!
Hubert Engelbrecht